Klassik oder Pop?...
Zwei Paar Schuhe
Im klassischen Gesangsunterricht wird die Stimme ausgebildet um den Ton mit Kraft und Intensität in den Raum zu schleudern. Eine Entfernung von 60-80 Metern ist die Regel. Selbst die sanftesten Stellen einer Arie müssen in großer Entfernung noch gut hörbar sein. Die Sänger/Sängerinnen benötigen eine große Abschusskraft der Muskeln und viel Luft.
Popsänger/innen können ihre Stimme mit Hilfe
des Mikrophons verstärken, die Stimme braucht zwar Stütze, muss
aber nicht so durch tragend sein. Der Atem kann fließen und muss nicht
zurückgehalten werde. Er darf nicht an die Membran des Mikrofons knallen.
Der Klang hat nur wenige Zentimeter bis zum Mikrofon bewältigen, es
kann mit zarten oder rauchigen Stimmfacetten gespielt und mit der Lautstärke
variiert werden. Die Lautstärke kann so gewählt werden, dass mit
den Schwingungen gesungen wird, bei der die Stimme am schönsten von
den Maschinen aufgenommen und wiedergegeben werden. Die Maschinen
entscheiden über den Erfolg in der Popmusik.
Klassisch ausgebildete Sänger/innen erlernen ihre Gesangstechnik
anhand der Belcanto-Stimmschulung. Belcanto heißt
"schöner Gesang" und bezeichnet einen Gesangsstil, der das
schöne Klingen der Stimme zum Hauptziel hat.
Das Verstehen des Textes und Gefühlsnuancen sind zweitrangig. Wichtig
ist die vollkommene Tongebung, das perfekte Legato, das Anschwellen und
Abschwellen des Tones, Koloraturen (Sprünge und Läufe) und Arpeggios,
die die Melodie verschönern.
In der Popmusik sind zwei Gesangsstile besonders zu nennen:
crooning und belting
Ein Crooner ist ein Sänger, der einen gefühlvollen,
unaufdringlichen Gesangsstil pflegt. Er wird meist von einer Big Band oder
einem großen Orchester begleitet. Balladen eignen sich vorzüglich
zum croonen, schnelle und rhythmische Lieder kaum. Bekanntestes Beispiel
ist Frank Sinatra, er revolutionierte mit seinem ästhetischen und gefühlvollen
Gesang die Popularmusik. Typisch sind seine jazzigen Phrasierungen und Ausdrucksweisen.
Bekannt sind auch Nat King Cole, Julio Eglesias oder Charles Aznavour. Bei
diesem Gesangsstil muss die Stimme des Sängers verstärkt werden
damit die feinen Nuancen hörbar werden. Populäre Beispiele sind
derzeit: Michael Bublè, Helmut Lotti, Harry Connick oder Roger Cicero.
Crooner werden in die Kategorie "easy listening" eingeordnet.
Belting wird bevorzugt in der Popularmusik, im Soul, im
Jazz und im Musical eingesetzt. Es war ursprünglich eine Bühnengesangstechnik
und nicht für die Mikrophon-Verstärkung gedacht. Christina Aquilera,
Mariah Carey und Whitney Houston benutzen diese Technik.
Das Belten setzt eine gute klassische Stimmbildung mit einer soliden Atemtechnik
voraus. Allerdings entsprechen das Klangideal und die Interpretation nicht
dem klassischen Stil. Entscheidend ist die Vokalbildung, sie ist beim Belten
sehr viel offener und geschieht weiter vorne im Mundraum als im klassischen
Gesang.
Beim Belten kann die Stimme mit einem Mikrofon verstärkt werden, es
kann aber auch so eine gute Dynamik und Lautstärke erreicht werden.
Klassisch ausgebildete Sängerinnen nutzen hauptsächlich die oberen
Gesangsregister, beim Belting hingegen wird das Bruststimmenregister genutzt
und erweitert. Deshalb eignet sich das Belting besonders für die tiefen
und mittleren Frauenstimmlagen.
Hörbeispiel - Klassik vs Belting
Vielleicht hast du die folgenden Titel auf CD, falls nicht, besuche eine
Musikbibliothek oder einen großen Musikstore und höre diese Songs
aufmerksam an, es lohnt sich!
Beide Songs haben etwa denselben Tonumfang
One Moment in time - Whitney Houston
Don't cry for me argentina - Madonna
Whitney Houston nutzt fast ausschließlich das Belting (enormes Stimmvolumen
schon in mittleren Lagen)
während Madonna eher die klassische Vokaleinstellung nutzt (fehlendes
Volumen an den tieferen Stellen)
Hörbeispiel - Crooning vs Belting
My heart will go on - Céline Dion
Am Anfang des Liedes ist deutlich das Croonen (die fast gehauchte Stimme)
zu hören, aber nach ca. 3 1/2 Min. kann man eindeutig das Belting erkennen.
Hörbeispiel - Crooning, Belting und Pfeiffregister
Mariah Carey schafft es sogar im Pfeiffregister zu singen: Emotions, Stay
the night, Fly like a bird, u.m.
Pop und Klassik - einige Gemeinsamkeiten
- Zwerchfellstütze
- Tonreinheit der Stimmbandarbeit
- Rhythmusgefühl
- Musikalisches Gehör
- Bereitschaft zum Üben
- Ausbildung
- Beharrlichkeit, trotz Schwierigkeiten
Erfolg im Popbusiness, darauf kommt es an:
- Unverkennbare Art zu singen = Wiedererkennungsfaktor
- Fließende Stimme fürs Tonstudio/Mikrofon
- Vokaleinstellung offen, weit vorne im Mundraum
- Schauspiel und Tanz
- Modisches Styling